zuletzt aktualisiert am 10.02.2021
Angesichts weitverbreiteter, abenteuerlich hemdsärmeliger und damit unverantwortlicher Entscheidungen bei Stellenbesetzungen fordere ich die Pflicht zum Anforderungsprofil – als Norm in der Arbeitswelt, um Personalauswahl solide zu betreiben.
Ich fordere jedoch auch das Anforderungsprofil selbst heraus, indem ich hohe Qualitätsmaßstäbe anlege und auch durchsetze.
Auf den Punkt: Ein gutes Anforderungsprofil kostet Schweiß, aber die Anstrengung trägt vielfach Früchte.
Hier erkläre ich, wie Sie schnell und sicher zu einem guten Anforderungsprofil kommen.
Ich stelle mir jegliche Arten von Profilen immer als einen Abdruck vor von dem, was man haben will oder einpassen möchte. Seien es Fensterprofile, Gussprofile oder Täterprofile. Der Autoreifen soll sich gut mit der Straße verbinden, der Laufschuh mit dem Waldboden, der Schlüssel mit dem Schloss. Schließlich kennen wir alle das menschliche Profilbild und den Schattenriss. Das ist die ursprüngliche Bedeutung aus dem Französischen (profil: Seitenansicht, Kontur).
Wie soll der Mensch sein, der die Anforderungen an die Stelle so erfüllt, dass wir geschmeidig den Schlüssel im Schloss umdrehen können? Diese Frage ist für Unternehmen äußerst wichtig, da der Unternehmenserfolg in stärkerer Weise von der richtigen Besetzung der Stellen abhängt als von jedem anderen Faktor.
Der Zweck eines Anforderungsprofils ist also klar: Die Kandidat:innen sollen auf die Stelle passen.
Der Nutzen auf den Punkt: Bessere, d.h. professionelle Stellenbesetzungen und damit größeren Unternehmenserfolg.
Ich definiere den Begriff Anforderungsprofil anhand der folgenden zwei Spiegelstriche. Beide beinhalten Merkmale, Kriterien bzw. bilden einen Katalog, der dann das Anforderungs- oder Qualifikationsprofil ausmacht:
Das Anforderungsprofil ergänzt eine gute Stellenbeschreibung. Letztere konzentriert sich auf die Erwartungen bzw. Ergebnisse, die auf einer Stelle erbracht werden sollen.
Das Anforderungsprofil konzentriert sich darauf, was Stelleninhaber:innen mitbringen sollen, um die Resultate aus der Stellenbeschreibung zu erreichen. Es nimmt die erwarteten Ergebnisse auf und beantwortet Ihnen die Frage: Welche Fähigkeit muss jemand mitbringen, um diese Ergebnisse zu erzielen?
Die Stellenanalyse betrachtet eine Position genauer: Sie möchten verstehen, was jemand genau wie tun muss, um die Ergebnisse gemäß der Stellenbeschreibung zu erreichen. Oft wird die Stellenanalyse auch Anforderungsanalyse oder Arbeitsplatzanalyse genannt. Denn in der Tat überlappt sich das.
Das Anforderungsprofil nimmt wiederum die Essenzen der Analyse auf und formuliert, welche ‚‚Kontur‘‘ Bewerber:innen mitbringen müssen, um auf der Stelle erfolgreich zu sein. Es ist also der Transfer von Beschreibung und Analyse hin zum gesuchten ‚‚Profil‘‘.
Viele Unternehmen haben sich aus den zahllosen möglichen Kompetenzen ein gewisses ‚‚Set‘‘ zusammengestellt. Die meisten Anforderungen an die Stellen im Unternehmen sind abgedeckt und idealerweise reflektieren sie auch die Unternehmenskultur. Damit ist es einfacher, beim Anforderungsprofil konkret zu werden. Allerdings laufen Sie auch Gefahr, eingeengt unterwegs zu sein und etwas zu vergessen.
Ich plädiere für einfache Grundmodelle mit Blick auf Kompetenzen. Sie brauchen dann jedoch Möglichkeiten, zusätzliche Kompetenzen außerhalb des Modells einbringen zu können.
Meines Erachtens sind Kompetenzen nichts anderes als die Kombination von persönlichen Fähigkeiten und Eigenschaften mit Blick auf ein bestimmtes Ziel oder Ergebnis.
Das Anforderungsprofil ist der ‚‚rote Faden‘‘ im erfolgreichen Stellenbesetzungsprozess. Es kommt an verschiedenen Stellen zum Einsatz. Hier sind fünf gewichtige Gründe dafür, warum das Anforderungsprofil so überaus bedeutend ist:
Die Stakeholder, also die unmittelbar und mittelbar Beteiligten im Besetzungsprozess, brauchen und wollen Klarheit. Ein gutes Anforderungsprofil gibt Orientierung und dokumentiert die gelungene Abstimmung der Stakeholder. Es schafft Verbindlichkeit.
Stakeholder in diesem Zusammenhang sind:
Das Anforderungsprofil hat eine hohe Bedeutung für eine Stellenanzeige. In Kombination mit der Stellenbeschreibung liefert es Ihnen alle Informationen für die Stellenanzeige oder das Briefing eines externen Recruiters. Sie müssen nur die wichtigsten Punkte herausgreifen und ansprechend formulieren.
Die Vorauswahl der Bewerber:innen gelingt Ihnen mit einem klaren Anforderungsprofil punktgenau und effizient. Aber auch Interessenten können sich anhand des Anforderungsprofils ein klares Bild machen und für sich begründet entscheiden. Daher empfiehlt es sich, zusätzlich eine Version zu erstellen, die auch nach extern gegeben werden kann.
Ein sauberes Anforderungsprofil, das Sie im Stellenbesetzungsprozess richtig anwenden, führt zu besseren Entscheidungen. Denn Sie können auf objektivierter Grundlage einschätzen und dabei auch Personen vergleichen.
Vielleicht schaffen es alle drei Kandidat:innen am Schluss, die ‚‚Latte‘‘ aller Kriterien zu ‚‚überspringen‘‘. Mit dem systematisch ausgearbeiteten Anforderungsprofil können Sie darüber hinaus sagen, wer um wie viel ‚‚höher springt‘‘.
Damit können Sie für die Stakeholder zum Beispiel eine Entscheidungsmatrix vorbereiten. Sie erweitern die Entscheidungsgrundlage, schaffen Transparenz und befördern den Entscheidungswillen, da es nachvollziehbar ist.
Gibt es Nachteile durch ein Anforderungsprofil? Oder eine besondere Problematik? Ich kenne keine, die inhaltlicher Natur wären. Natürlich müssen Sie Zeit dafür aufwenden. Ein Anforderungsprofil inklusive der Gespräche mit Stakeholdern kann Sie alles in allem schnell einen Arbeitstag kosten, wenn es sich um eine sehr wichtige Funktion im Unternehmen handelt.
Es kann auch ein ganzes Stück schneller gehen. Das hängt von der Komplexität der Stelle ab. In jedem Fall lohnt es sich. Stellenbesetzungen bergen ein enormes finanzielles, strategisches und kulturelles Risiko im Unternehmen. Beim Anforderungsprofil nicht sauber zu arbeiten, ist daher grob fahrlässig.
Der Begriff Kompetenz bedeutet in unserem Kontext Fähigkeit bzw. Sachverstand. Was braucht es also, damit die in den Materialien zur Stelle aufgeführten Ergebnisse erzielt werden? Wenn Sie die materiellen und organisatorischen Ressourcen weglassen, bleibt die Frage an die betreffende Person, die sich für die Stelle bewirbt: Was bringt sie mit?
Das ist die Frage nach der menschlichen Kompetenz, die eine Stelle erfordert und die beim Bewerber vorhanden sein sollte.
Es gibt unendlich viele menschliche Kompetenzen. Hier ein paar Beispiele:
Ein paar Worte zur Fachkompetenz: Vorgesetzte der zu analysierenden Stelle tendieren dazu, Fachkompetenzen stark in den Vordergrund zu stellen. Lassen Sie sich stets erklären, warum es den jeweiligen Grad an fachlicher Expertise braucht. Wissen kann man oft schnell vermitteln. Fachkompetenz kann in der Regel zügig aufgebaut werden. Wenn das Niveau für das Fachwissen sehr hoch angesetzt wird, läuft man Gefahr, am Markt niemanden zu finden.
Sehr viel wichtiger als Fachwissen sind die Persönlichkeitseigenschaften, die den Erfolg auf der Stelle ausmachen. Diesen speziellen menschlichen Kompetenzen widmen wir uns jetzt.
Viele Unternehmen haben Ihre eigenen Modelle für die menschlichen Kompetenzen, die zum Teil komplex sind. Ich empfehle Ihnen in diesem Zusammenhang eine einfache Struktur, die der Wertematrix von Robert S. Hartman entspricht und die wir seit langem erfolgreich bei profilingvalues verwenden.
Wir haben zwei Räume, in denen unsere Kompetenzen Wirkung haben:
Das trennende Organ ist unsere menschliche Haut.
Darüber hinaus können wir beide Räume in drei Dimensionen unterteilen:
Unter den Skalennamen von Empathie bis Zielorientierung habe ich einige weitere Kompetenzen beispielhaft angeführt, die man in diese Rubrik einsortieren kann.
Nun blicken Sie auf Ihre farblichen Markierungen und Notizen, die Sie bei der Sammlung der Kriterien für das Anforderungsprofil erstellt haben. Ordnen Sie die die benötigten Fähigkeiten jeweils einem der sechs Felder zu, so dass Ihr eigener Kompetenzkatalog für diese Stelle entsteht.
Integrieren Sie nur wichtige Kriterien, damit es nicht zu komplex wird. Sie ordnen ein und verdichten dabei gleichzeitig bzw. lassen auch einiges weg. Sie werden sehen, dass sich mehrere Punkte äh-neln, die sich nach der Einordnung im selben Kästchen tummeln. Versuchen Sie zusammenzufassen, um die Zahl der einzelnen Kriterien in einem Feld zu reduzieren.
So schafft man sich im Dschungel der vielen Kompetenzen eine einfache Struktur.
Aus praktischen Gründen sollten es nicht mehr als 20 Kriterien werden, die sich auf die sechs Grundkompetenzfelder verteilen. Bevor Sie diese operationalisieren, kümmern Sie sich noch um bestimmte Kriterien des Anforderungsprofil, die sich nicht in die Wertematrix einordnen lassen.
Im Wesentlichen sind dies formale Anforderungen an Ausbildung, Gehalt, Wohnort o.ä. Diese werden gesondert aufgelistet. Meistens sind das nicht mehr als etwa fünf zusätzliche Kriterien.
Schließlich gibt es noch sogenannte ‚‚Nice to have‘‘ Kriterien, die Sie ebenfalls auflisten und separat betrachten.
Bei der Basisvariante müssen Sie selbst immer den Transfer machen, ob die Kompetenz den Maßstab für diese Stelle erfüllt. Dafür ist es einfach, schnell zu erfassen und klar.
Die differenzierte Variante ist aufwändiger, weitet aber die Facetten einer Beurteilung und gibt Ihnen gerade bei Stellen mit hohem Verantwortungsgrad Stoff für die Diskussion im Auswahlprozess. Umgekehrt kann diese Variante bei einfach zu erfassenden Stellen überdimensioniert sein.
Die Operationalisierung ermöglicht Ihnen letztlich erst die Anwendung des Anforderungsprofils.
Ähnlich wie bei der einseitigen Stellenbeschreibung liebe ich es auch beim Anforderungsprofil, alles auf einen Blick zu haben. Diese Vorgabe zwingt mich zudem, nur die wesentlichen Aspekte hineinzunehmen. Zu viele Kriterien führen meiner Auffassung nach hier zu Verwirrung und nicht zu besseren Entscheidungen.
Ihre Vorlage zum Anforderungsprofil hat 8 Rubriken bzw. Felder. Die ersten sechs Felder stellen die genannte Wertematrix von Robert S. Hartman dar. Rechts daneben platzieren Sie oben die formalen Kriterien und unten die ‚‚Nice to haves‘‘.
Die Kriterien in der Wertematrix folgen alle der gleichen Skalierung, entweder im Sinne der genannten Basis- oder der differenzierten Variante, jeweils mit ein bisschen Platz für Bemerkungen versehen.
Die formalen Kriterien und die ‚‚Nice to haves‘‘ haben diesen Platz auch.
Sie brauchen beim Anforderungsprofil nicht noch mehr Detailtiefe, denn alles andere steht in der Stellenbeschreibung und der Stellenanalyse. Diese Dokumente haben Sie als Verantwortliche:r im Recruiting- und Auswahlprozess immer dabei. Die Inhalte gehören also nicht in das Anforderungsprofil hinein, wie ich oben bei der Abgrenzung schon ausgeführt habe.
Stellenbeschreibung, Stellenanalyse und Anforderungsprofil bilden das Dreigestirn für eine erfolgreiche Stellenbesetzung. Sie ziehen sich wie ein roter Faden durch den ganzen Prozess, sind praktisch, geben Sicherheit und schaffen Transparenz. Damit minimieren Sie die größten Fehlerquellen im Bewerbungsprozess.
Holen Sie sich gleich nach Ihrem ersten Entwurf Feedback von Stakeholdern ein. Damit stellen Sie sicher, dass Sie nicht in die falsche Richtung losgaloppieren.
Denn die Aufstellung und Gewichtung der Kriterien im Anforderungsprofil sind immer auch eine Sache des persönlichen Ermessens. Hier gibt es nicht unbedingt immer richtig und falsch. Mehrere Blickwinkel und Meinungen erhöhen die Qualität.
Gehen Sie bei Ihrer Struktur der Stellenbeschreibung ähnlich vor. Gliedern sie passend und eingängig. Nur dann ist eine stichpunktartige Übersicht der Inhalte auch sinnvoll.
Zu viele und zu hoch angesetzte Kriterien führen bei Stellenbesetzungen zu schlechten Ergebnissen und Frustration. Ein Anforderungsprofil dient dem Zweck, eine Person differenziert mit Blick auf die Passung zu einer bestimmten Stelle beurteilen zu können. Deshalb genügt es andersherum auch nicht, einfach mal eine Handvoll Kriterien aufzustellen und ‚‚fertig‘‘ ist das Anforderungsprofil. Das wäre grob fahrlässig.
Genauso unsinnig ist es jedoch, mit 35 oder mehr Kriterien daherzukommen und zu glauben, dass Sie damit auf der sicheren Seite sind. Der Mensch ist ein hochkomplexes und stets einzigartiges Wesen. Man kann ihn nicht wie ein Produkt betrachten, bei dem man aus Qualitätsgründen die Fehler ausmerzt bzw. die Ansprüche immer weiter hochschraubt. Damit erreichen Sie nur, dass Sie letztlich jede:n Kandidat:in ‚‚mit dem Hinweis zerlegen‘‘ können, ein bestimmtes Kriterium sei nicht erfüllt.
Hier muss gesunder Menschenverstand regieren. Meine Erfahrung zeigt: Unter einem Dutzend Kriterien laufen Si eschnell Gefahr, zu undifferenziert zu sein. Wenn Sie sich der Zahl 30 nähern, sollten Sie schnellstens ‚‚auf die Bremse treten‘‘.
Neben zu vielen Anforderungen können Sie die einzelnen Kriterien auch überfrachten, d.h. einzelne Kompetenzen mit so viel Information unterfüttern, dass es Ihnen schwerfällt, mehrere Kriterien auf einmal im Blick zu behalten.
Die menschliche Auffassungsgabe ist begrenzt. Sie brauchen Struktur und Klarheit. Mit Blick auf die drei erwähnten Zutaten zur erfolgreichen Stellenbesetzung lässt es sich folgendermaßen ausdrücken.
Kriterien wie ‚‚Organisationstalent‘‘ oder ‚‚Führungspersönlichkeit‘‘ sind unkonkret und damit letztlich unverbindlich.
Ein Anforderungsprofil darf nicht ‚‚plappern‘‘. Es muss am Ende ‚‚hieb- und stichfest‘‘ sein.
Die Angelsachsen drücken es gut aus: ‚‚To the point‘‘.
Nun sind Sie bestens gerüstet, Ihre eigenen Anforderungsprofile zu erstellen. Viel Spaß dabei!
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